Tschechoslowakei – allgemeine Einführung

Im Oktober 1918 schieden die Landesteile Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien aus dem österreichischen und Oberungarn aus dem ungarischen Staatsgebiet aus, beide wurden in einem neuen Staat „Tschecho-Slowakei“ zusammengeschlossen. Dieser Staat erhielt seine neuen Grenzen 1919 in den Verträgen von Trianon und St.Germain. Neben einem gut industrialisierten westlichen Teil umfaßte er die ehemals ungarische östliche Hälfte, die wirtschaftlich zurückgeblieben war.
Entgegen der Idee ihrer Schöpfer wurde das Staatsgebiet nicht nur von Tschechen und Slowaken, sondern auch von Deutschen (30%), Ungarn, Ukrainern und Polen besiedelt, wobei die Deutschen einen Großteil der intellektuellen Oberschicht bildeten. Nun muß ein Staatsvolk nicht eine einheitliche Sprache sprechen, um sich als einheitliche Nation zu fühlen, wie z.B. die Schweiz oder Belgien beweisen. So hätte auch die Tschechoslowakei die „Schweiz Osteuropas“ werden können, wenn sie denn gewollt hätte. Aber stattdessen begann die tschechische Bevölkerung, die nicht-tschechischen Bevölkerungsteile zu verfolgen und zu benachteiligen in der Absicht, sie zu „tschechisieren“, Hierbei hatte man es besonders auf die Deutschen abgesehen, die sich bis dahin weniger als Deutsche denn als „Böhmen“ gefühlt hatten, also zunächst vielfach einer Loslösung von Wien gar nicht so negativ gegenüberstanden.
Andererseits sprachen zwar die Slowaken fast die gleiche Sprache wie die Tschechen, waren indessen durch 500jährige Tradition an Ungarn geknüpft, und die Tschechen betrachteten sie gerne als hinterwäldlerisch. So gab es für den neugeschaffenen Staat nicht nur wirtschaftliche Probleme (Wegfall eines Binnenmarktes von weiteren 40 Millionen österreichisch-ungarischer Einwohner), sondern auch ideologische. Trotz allem konnte der wirtschaftliche Aufschwung der Zwanzigerjahre die Gegensätze zunächst überdecken. Als indessen ab Ende 1929 infolge des „Schwarzen Donnerstag“ die US-kontrollierte Wirtschaft zusammenbrach und ernste Versorgungs- und Arbeitsprobleme entstanden, führte diese Wirtschaftskrise, gekoppelt mit den ideologischen Spannungen, dazu, daß sich die Tschecho-Slowakei von diesem Schlag nicht mehr erholen konnte: Sie zerbrach 1938 in zwei Teile, wobei allen Nachbarstaaten  Grenzgebiete zufielen. Es wäre einmal reizvoll zu untersuchen, ob es wirklich nur politische Schwäche war, die Großbritannien und Frankreich zum Abschluß des Münchener Abkommens vom Oktober 1938 veranlaßten. Oder gab es eine weit verbreitete Meinung in Europa, daß auch die Wirtschaft der Tschecho-Slowakei so zerrüttet sei, daß ihre Unterstützung ein Faß ohne Boden sei? Anzumerken sei hier auch, daß ziwschen 1930 und 1938 die tschechoslowakische Krone z.B. gegenüber der Deutschen Mark 90% ihres Wertes verlor.
Diese wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich auch in der tschechischen Automobilindustrie wieder, die 1929/30 einen relativen Höchststand erreicht hatte. Seit dieser Zeit stagnierten die Produktionszahlen oder waren sogar rückläufig, um erst 1938 wieder den Stand von 1930 zu erlangen: In der gleichen Zeit hatte sich die britische Automobilproduktion verdoppelt, die deutsche verdreifacht.
Während ihrer Existenz litt die tschechische Automobilindustrie an einem zu kleinen Binnenmarkt von nur 15 Millionen Einwohnern. Exportmöglichkeiten waren gering, da zu allen Nachbarstaaten wegen der Minderheiten-Problematik und daraus resultierenden wechselseitigen territorialen Ansprüchen ständig Spannungen bestanden, und diese waren kein fruchtbarer Boden für gute Handelsbeziehungen. Zu anderen Staaten wie Jugoslawien, Rumänien oder Griechenland bestanden zwar diese Spannungen nicht, aber deren Bevölkerung hatte eine völlig ungenügende Kaufkraft. So lief der von 1923 bis 1938 gebaute Praga Piccolo in etwa 17.000 Exemplaren vom Band, der gleichzeitig gebaute und vergleichbare Austin 7 brachte es in der gleichen Zeit auf 300.000 Stück. Infolgedessen waren die Stückkosten tschechischer Autos so hoch, daß sie mit vergleichbaren Autos anderer Staaten auf dem Weltmarkt nicht konkurrieren konnten.
Gleichwohl brachten tschechische Marken in der Zwischenkriegszeit einige interessante eigene Neuentwicklungen heraus, die sich später als epochemachend erweisen sollten. Besonders die Firma Tatra mit ihrem Chefkonstrukteur Hans Ledwinka tat sich hier durch Erfindungen wie Zentralrohrrahmen, Stromlinienkarosserie und Luftkühlung des Motors hervor. Infolgedessen galten die Erzeugnisse dieser Firma als besonders fortschrittlich, und die Autos wurden mit Lizenz von Röhr, Stöwer, Austro-Tatra und Lorraine und ohne Lizenz von NAMI in Rußland nachgebaut.
Allerdings blieben diese Autos wegen ihrer nie endgültig gelösten technischen Probleme auch gefürchtet: So gab man im zweiten Weltkrieg Tatra-LKW gerne den deutschen Bundesgenossen und zog selber konventionell gebaute, aber zuverlässigere Kraftwagen vor.
Der Umfang der tschechischen Automobilindustrie ist ausgesprochen gut dokumentiert. Dies mag einerseits damit zusammenhängen, daß anglo-amerikanische Bomber die tschechischen Archive nicht zerstörten und Russen das Land nicht ausplünderten, sodaß die Firmenarchive das Kriegsende unbeschädigt überstehen konnten.
Sodann konnte die Tschecho-Slowakei der Nachkriegszeit unter Benutzung dieser Archive darlegen, daß sie in den Zwanzigerjahren bereits fast 100.000 Autos gebaut hatte, während in der Sowjetunion, der „großen Brudernation“ kaum 10.000 entstanden waren, und daß die tschechischen Autos alle eigene Konstruktionen waren, während die russischen Typen alle irgendwo kopiert worden waren. So war die tschechische (zusammen mit der mitteldeutschen) die einzige Automobilindustrie im Ostblock, die auf eigene Traditionen zurückblicken konnte. Es gab also ein großes Interesse daran, diese Dokumente zu bewahren, und die Beschreibung der tschechischen Autotypen nimmt in der einschlägigen sozialistischen Literatur einen großen Raum ein: Konnte man das doch alles als „Errungenschaften des Sozialismus“ verkaufen. Als man ab 1990 nach Firmen im Westen suchte, die bereit waren, die angeschlagenen tschechischen Werke zu übernehmen, war es ebenfalls von Vorteil, wenn man auf lange Traditionen eines eigenständigen Automobilbaus verweisen konnte.
In den Statistiken sind die Fahrzeuge aller Firmen bis 1945 aufgeführt, die bis 1938 auf tschechischem Staatsgebiet lagen, also auch die der Firma Tatra, obwohl 1938 der Produktionsstandort Nesselsdorf als Teil des Sudetenlandes zum Deutschen Reich kam: Hierdurch soll die Kontinuität der Produktion gezeigt werden, irgendwelche staatsrechtlichen Aussagen verbinde ich damit nicht.
An dieser Stelle sei angemerkt, daß das Deutsche Reich auch das 1939 geschaffene Protektorat Böhmen-Mähren nie als Teil seines Staatsgebietes aufgefaßt hat, sondern immer als ein Staatsgebilde/Territorium besonderer Art mit nach wie vor eigener Regierung, die lediglich die Ausübung bestimmter Hoheitsrechte dem Reich übertragen hatte.

Der Stoff ist auf drei Tabellen verteilt:
PKW 1919 bis 1945
LKW 1919 bis 1945
Sonstige und Militärfahrzeuge 1919 bis 1945

Quellen:
Wer die Mühen der tschechischen Sprache nicht scheut, wird mit sehr umfangreichen und detaillierten Gesamt- und Einzelfirmendarstellungen belohnt:

Lipp, Hans (Hrg.): „Kraftfahrzeuge in Deutschland“, Selbstverl. München 2017, (KiD),  Nachdruck einer höchstwahrscheinlich um 1940 von der Deutschen Automobil-Treuhand erfolgte Zusammenstellung der Chassisnummern aller Automobilfirmen nach Baujahren, soweit deren Typen in Deutschland um 1940 im Straßenverkehr anzutreffen waren. Das wahrscheinlich ursprünglich vor allem für den behördeninternen Gebrauch bestimmte Werk liefert nicht nur zu kleineren deutschen, sondern auch zu österreichischen und tschechischen Marken sonst wohl heute kaum noch irgendwo erhältliche Informationen.
Dünnebier, Mich. u.Kittler, Eberhard: Personenwagen sozialistischer Länder. , Berlin (Ost) 1990 (DüKi), führt die PKW aller Warschauer-Pakt-Staaten auf. Der Schwerpunkt liegt naturgemäß bei der Produktion ab 1945, es wird aber auch die Vorkriegsproduktion erwähnt.
Pátek, Antoín: Kniha o veteránach, Prag 2006 (KV): Ein Buch über in der Tschechei vorhandene restaurierte alte Autos (auch nicht-tschechische) bis Bauj.1950,  je Typ 1-2 Farbphotos, kurze Geschichte, wesentliche techn. Daten und Stückzahlen.
Procházka, Hubert u.Martof, Jan: Automobily Aero, Jawa, Walter, Wikov, Z 1905-46, Brünn 2009(PM): Beschreibt die im Titel näher genannten Marken.
Suman-Hreblay, Marian, Encyclopedie Automobilu, Neuaufl.Brünn 2018 (EA)(alle PKW)
Suman-Hreblay, Marian, Automobili Aero, Jawa, Walter, Wikov, Brünn 2009
Suman-Hreblay, Marian, Encyclopedie nákladních automobilu, Brünn 2008
(ENA) (alle LKW)
Suman-Hreblay, Marian, Encyclopedie Ceských Traktóru, Brünn 2011 (ECT) (alle Traktoren) Bedauerlicherweise fehlen in diesem Buch Stückzahlen zu vielen Traktormodellen in den Dreißigerjahren.
Suman-Hreblay, Marian, Encyclopedie Ceských Motocyklulu, Brünn 2007 (ECM)(alle Motorräder)
Spielberger, Walter, Die Panzerkampfwagen 35 (t) und 38(t), Stuttgart 1980, (SpT) bietet eine Fülle von Daten und Fakten zur tschechischen Heeresmotorisierung der Zwischenkriegszeit und kann als Ergänzung zu den Werken von Suman empfohlen werden, ist allerdings manchmal etwas verwirrend und infolgedessen mißverständlich. Das Buch, in den Achzigerjahren das einzige mit halbwegs brauchbaren Angaben, ist heute in vielen Detailfragen aufgrund neuerer Publikationen überholt.
Francev, Vladimir & Kliment, Charles: Ceskoslovenská obrnená vozidla 1918-48, Ares-Verl.,Praha 2004: (FK) (=tschechische gepanzerte Fahrzeuge): Führt alle gepanzerten Fahrzeuge (Rad und Kette), auch Prototypen, und daneben auch die Kettenzugmaschinen mit Stückzahlen, Produktionszeitraum und technischen Hauptdaten auf und ist für die im sonstigen Schrifttum stiefmütterlich behandelten Kettenschlepper eine unverzicht-bare Quelle.