Australien – Kraftfahrzeuge von 1919 – 1945
Ähnlich wie in den USA oder in Kanada bot die Weite des Landes, seine dünne Besiedlung und daher geringe Eisenbahndichte optimale Voraussetzungen für eine eigene Automobilindustrie. Andererseits war das Land derart dünn besiedelt (1901 zählte man 3,8 Mio. Einwohner ohne Aborigines), daß es keine Fachkräfte gab, die sich einem eigenen Automobilbau hätten widmen können: So bezog man die dringend gebrauchten Autos aus dem Ausland: An erster Stelle aus dem damals führenden Frankreich, aber auch aus Deutschland, Großbritannien, später auch Italien und vor allem den USA.
In den Zwanzigerjahren gab es einige Versuche, der mittlerweile alles beherrschenden Konkurrenz aus den USA nationale Eigenkonstruktionen entgegenzusetzen: Hierbei war die Firma Australian wohl am erfolgreichsten, die von ihrem Modell Six immerhin 1.000 (oder nur 500?) Autos zwischen 1919 und 1926 herstellte.
Auch die Produktion der Firma Summit betrug zwischen 1922 oder 1923 und 1925 oder 1926 etwa 500 Autos. Die PKW-Firmen Chic, Lincoln und möglicherweise Grapes bauten kleinere Serien, die Firmen Albani, Egan und Southern Six konstruierten nur Prototypen.
Interessant sind die Versuche zur Herstellung eines im eigenen Lande gebauten Kleinwagens, die hier tätigen Firmen Sulman und Southern Cross brachten es aber nur auf Kleinserien.
Literatur:
Tony Davis, Aussie Cars, Hurtsville, NSW, 1987: Das Buch enthält zahlreiche australische Automobilmarken.
Hilfreich waren weiter die Angaben in der „Beaulieu Encyclopaedia“ oder anderen unter „Bemerkungen“ angegebenen Quellen.
Ein Teil der Angaben entstammt der Weltnetz-Seite „uniquecarsansparts.com.“, die ihrerseits wohl einen ursprünglich australischen Betreiber hat, der sich primär dem Automobilhandel und –vertrieb widmet, indessen auch einige historische Seiten mit etlichem Zahlenmaterial beifügt. Die Zahlenangaben sind allerdings durch keinerlei Quellen belegt und in einigen Fällen auch nachweisbar falsch oder zumindest falsch betitelt.
Die Traktorfirmen werden unter „The Aussi Tractor Page“ im Weltnetz behandelt.
Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien – Tabelle
Montage:
Wirklich erfolgreich waren lediglich Montagefirmen, die im Ausland produzierte Autos montierten und mit eigenen Karosserien versahen. Ich bin daher von der sonst üblichen Praxis abgewichen und habe die mir vorliegenden Zahlen zu Montagefirmen in eine gesonderte Tabelle aufgenommen, was indessen weitere Probleme schuf:
Üblicherweise waren montierte Autos Modelle der großen kanadischen Firmen, die allerdings ihrerseits wiederum ausschließlich Typen aus den USA in Lizenz fertigten:
Holden, Melbourne: war die erfolgreichste und älteste dieser Montagefirmen, sie existierte seit 1926 (oder 1924?) und montierte ausschließlich Autos der verschiedenen Firmen von General Motors, wurde auch bald Teil des General Motors-Konzerns. Hier gibt es auch Angaben zur Gesamtzahl der jährlich ausgeführten Montagen, allerdings aus einer etwas dubiosen Quelle: Auf der Internetseite www.uniquecarsansparts.com. werden zwar etliche Produktionsstatistiken aufgeführt, manche sind indessen offenkundig falsch oder zumindest falsch betitelt, und man würde sich zumindest jeweils eine Quellenangabe wünschen. Die Richtigkeit der hier veröffentlichten Gesamtzahlen unterstellt, ergäbe sich ein starkes Absinken der jährlichen Montagen in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932, ein erneutes Ansteigen bis 1939 und eine ganz geringe Fertigung zwischen 1943 und 1945. Danach sind höchstwahrscheinlich nur PKW und keine Nutzfahrzeuge hier gezählt worden, da vor allem in der Kriegszeit ab 1939 der LKW-Bau florierte, also die Gesamtzahl nicht hätte sinken dürfen.
Die gleiche Quelle (www.uniquecarsansparts.com.) gibt in gleicher Statistik für alle anderen Montagefirmen außer Holden Zahlen an: Danach beginnt die Montage von sonstigen Firmen bereits 1917 und erreicht ihren Höchststand 1928. Auch hier ist unbekannt, woher die Statistik stammt, ebenso, was sie aussagen soll: Natürlich wurden bei Automobilen, die nach Australien exportiert wurden, zur Schonung auf der langen Seereise bestimmte leicht zerbrechliche Teile erst gar nicht montiert, vielleicht sogar zum leichteren Transport ganze Karosserieteile separat verpackt oder erst in Australien gefertigt. Kann man schon von einer Montage sprechen, wenn in einer örtlichen Niederlassung an einem Auto nur noch die gesondert mitgelieferten Reifen und der Außenspiegel angeschraubt werden müssen? Oder ist erforderlich, daß das Auto komplett in Einzelteile zerlegt (CKD – completely knocked down) geliefert wird? Oder war zwingend erforderlich, daß die noch fehlenden Teile in Australien hergestellt wurden? Erst nach Klärung dieser Fragen, die möglicherweise in australischen Zoll- und Einfuhrbestimmungen definiert sind, erhält diese Statistik einen Sinn.
Ford unterhielt ab 1925 ein eigenes Montagewerk. Die jährlichen Montagen sind bis 1928 detailliert aufgeführt, ab 1929 sollen jährlich etwa 10.000 Autos montiert worden sein. Der Blick auf die Statistik „andere außer Holden“ zeigt, daß beide Aussagen sich ausschließen, zumindest eine der beiden Statistiken falsch sein muß.
Chrysler als dritter großer US-Konzern (hier mit Produkten seiner kanadischen Tochterfirma) durfte natürlich nicht fehlen: Es gab seit 1928 ein Montagewerk in Adelaide, nach anderen Quellen existierte dieses Werk indessen erst seit 1951. Auch dieser scheinbare Widerspruch hat seine Ursache wahrscheinlich in einer unterschiedlichen Auffassung des Begriffes „Montage“.
Daneben gab es seit Ende der Dreißigerjahre ein Montagewerk der Firma I.H.C, in dem eigene Karosserien für die verschiedenen LKW dieser Firma hergestellt wurden.
Seit 1938 montierte auch die zum GM-Konzern gehörende britische Firma Vauxhall bestimmte PKW-Modelle in Australien, wobei dies natürlich auch in Melbourne geschah, wo bereits Holden (s.o.) seinen Sitz hatte.
Als Australien sich 1940 plötzlich mit einer möglichen Invasion japanischer Truppen konfrontiert sah und man Unterstützung aus dem Ausland nicht glaubte erwarten zu können, begann man hastig mit der Fertigung des Bren Carrier, der mit dem auch in Australien allenthalben vorhandenen Ford-V8-Motor produziert wurde, und entwickelte eigene Panzerspähwagen: Rover Armoured Car und Dingo Scout Car, die ebenfalls mit dem Ford-V8-Motor versehen wurden. Hinzu kam als beachtliche Eigenentwicklung ein durch französische und amerikanische Konstruktionen beeinflußter Kampfpanzer Sentinel, der durch drei miteinander gekoppelte Cadillac-Motoren angetrieben wurde. Als sich Ende 1942 herausstellte, daß die USA genügend Rüstungsgüter liefern konnten und gleichzeitig die Invasionsgefahr schwand, wurde die Produktion eigener Panzerspähwagen und Panzer umgehend wieder eingestellt: Sie waren nie im Fronteinsatz, sondern blieben nur als Ausbildungsgerät im Lande.
Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien – Tabelle
Neuseeland:
Ford unterhielt ein Montagewerk in Lower Hutt, in dem während des zweiten Weltkrieges kanadische Ford-Modelle montiert wurden. Ein fast skurril anmutendes Denkmal dessen, was Menschen in panischer Angst schaffen können, war der „Bob Semple Tank“: ein 1940/1 in Invasionsfurcht konstruierter gepanzerter I.H.C.-Kettenschlepper, auch „Mobile Pillbox“ genannt. Nach Bau einer Versuchsserie von 4 Stück erkannte man indessen schnell, daß dieses Fahrzeug für militärische Zwecke völlig ungeeignet war. Ähnlich verhielt es sich mit einem Zwitterfahrzeug aus Bren Carrier und Chevrolet 6cwt-LKW, dem „Schofield Wheel-and-Track“, der ein Einzelstück blieb.
In Serienbau gelangten folgende Militärfahrzeuge:
Bren Carrier: zunächst 1940/1 einige Probeexemplare aus Weichstahl, dann ab Dez.1941 bis Okt.1943 insgesamt 1.170 Stück (von ursprünglich 2.500 geplanten). Die Fahrzeuge, für die Großbritannien zunächst dringenden Bedarf angemeldet hatte, verfügten über bestimmte (aus der Not geborene) Besonderheiten, die sie mit anderen Carriers nicht generell kompatibel machte. Infolgedessen blieben fast alle Fahrzeuge in Neuseeland, das die Produktion 1943 einstellte, da mit einer japanischen Invasion niemand mehr ernsthaft rechnete.
Beaverette Scout Car: Hatte mit dem englischen Beaverette Scout Car nur den Namen und das äußere Erscheinungsbild gemeinsam, nicht aber dessen Technik: Statt des Standard 14HP-Chassis hatte der Wagen ein verkürztes 4×4-Ford-LKW-Fahrgestell, 207 Stück von Februar bis Juni 1942. Diese Fahrzeuge waren zwar erheblich geeigneter für ihre Zwecke als die englische Beaverette, trotzdem 1942 bereits anderen vergleichbaren Fahrzeugen hinsichtlich Feuerkraft und Panzerschutz restlos unterlegen und blieben daher alle im Lande, kamen daher nie zum Fronteinsatz.
Wheeled Carrier: Ein kleiner Schützenpanzer bzw. Mannschaftstransportwagen, auch auf Ford 4×4-Chassis, 76 Stück von 99 bestellten (oder alle 99?) von Anfang 1943 bis Februar 1944. Auch dieses Fahrzeug, Nachbau eines indischen Modells, war zu schwach gepanzert, als daß man damit 1944 noch irgendetwas hätte anfangen können.
Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien – Tabelle
Südafrika:
Auch hier unterhielt Ford ein Montagewerk: In Port Elizabeth, in dem vor allem LKW (zunächst aus Kanada, später auch aus den USA) montiert wurden. Daneben gab es zwei-, später vierradgetriebene Panzerspähwagen, deren Fahrgestell von der amerikanischen Firma Marmon-Herrington entwickelt worden war, und die in vier Ausführungen von 1940 bis 1943 in 5.746 Stück in Serie hergestellt wurden und sich in Nordafrika auch im Fronteinsatz befanden. Als genügend bessere britische Fahrzeuge vorhanden waren, stellte man 1943 die Produktion wieder ein.
Indien:
Montagewerk von Ford an einem Ort, den ich noch nicht sicher herausfinden konnte (Bombay?). Auch hier waren es kanadische Ford-LKW und PKW, die hier –teils auch als Allrad-Fahrzeuge- montiert wurden, wobei man eine eigene Panzerkarosse entwickelte und insgesamt 4.655 Allrad-Chassis mit dieser versah. Dieser Panzeraufbau wurde offenbar in einem Stahlwerk in Delhi gefertigt.
Die 1942 gegründeten Hindustan-Werke produzierten erst ab 1949 Morris-Automobile in Lizenz.